Seit der Reform des deutschen Vergaberechts in 2016 haben Kommunen die Chance – unabhängig vom Auftragswert – im Vergabeverfahren verbindliche Anforderungen an die Nachhaltigkeit der zu beschaffenden Güter und Dienstleistungen zu stellen sowie soziale und umweltbezogenen Aspekte mit 14einzubeziehen. Es muss also nicht mehr gelten: das preisgünstigste Angebot gewinnt!
Öffentliche Auftraggeber in Deutschland beschaffen jährlich Produkte und Dienstleistungen im Wert von rd. 400 Mrd. €, was ca. 13 Prozent des Bruttoinlandsprodukts entspricht. Etwa die Hälfte der Ausgaben entfällt auf die Kommunen. Damit haben diese eine große Einkaufsmacht, die sich nutzen ließe, um den Einkauf fairer und nachhaltiger zu gestalten.
Der Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, Dr. Gerd Müller, wandte sich bereits im Juni 2016 mit einem Schreiben an a l l e Kommunen. Darin heißt es: „Wer in der Entwicklung nicht stehenbleiben will, muss regelmäßig über Gewohnheiten und etablierte Abläufe nachdenken und sich fragen: Ist das noch zeitgemäß? Konkret nehme ich Bezug auf die Beschaffung von Gütern, die in der kommunalen Verwaltung benötigt werden. Viele dieser Waren oder deren Rohstoffe – von Textilien für Sicherheits- und Arbeitsbekleidung über Pflastersteine bis hin zu Kaffee und Tee – kommen originär aus den Ländern des Globalen Südens. Dort wird die Baumwolle gepflückt, der Steinbruch bearbeitet oder der Kaffee und Tee angebaut. Als verantwortungsvolle Verwaltung müssen wir uns die Frage stellen: Sind die Produktionsbedingungen vor Ort fair? Werden Sozial- und Umweltstandards eingehalten? Können wir die Güter guten Gewissens nutzen, oder nur auf Kosten der Menschen, die sie vor Ort produzieren?“
Dann nimmt er Bezug auf die konkrete Beschaffungspraxis der Kommunen und schreibt: „Lassen Sie uns gemeinsam etwaige Fairness-Lücken schließen, die es immer noch in großer Menge gibt. Dies ist einfacher als man denkt und gewinnt durch die Reform des deutschen Vergaberechts im April 2016 noch mehr an Bedeutung. Zertifikate über die Einhaltung der ILO (International Labour Organisation)-Kernarbeitsnormen lassen sich bei vielen Herstellern oder Lieferanten einfordern. Damit wird sichergestellt, dass die verwendeten Güter unter sozialen Mindeststandards – wie dem Verbot von ausbeuterischer Kinderarbeit oder Zwangsarbeit – hergestellt und weiterverarbeitet wurden. Deswegen startete die Servicestelle Kommunen in der einen Welt (SKEW) die Kampagne DEUTSCHLAND FAIRGLEICHT mit dem Appell: Vergleichen Sie Angebote nicht nur nach dem Preis, sondern auch nach Kriterien der sozialen und ökologischen Nachhaltigkeit. Das Team der SKEW berät Sie hierzu gerne persönlich und unterstützt Sie bei der Realisierung der Fairen Beschaffung in Ihrer Kommune.“
Diesem Ansinnen ist aus Sicht des Fairen Handels und des EineWeltVereins Kressbronn nichts hinzuzufügen. Wichtige Informationen, inwieweit soziale und ökologische Kriterien in Vergaben eingebunden werden können, welche Gemeinderatsbeschlüsse, Dienstanweisungen und Richtlinien angepasst und beachtet werden müssen, bietet der kommunale „Nachhaltigkeitskompass“ (www.kompass-nachhaltigkeit.de)
Was wäre in Kressbronn also zu tun? Es sind Ratsbeschlüsse herbei zu führen, die die Berücksichtigung von Nachhaltigkeitsaspekten in der Beschaffung festschreiben. Im Rahmen eines Beschlusses wäre auch festzulegen, wie und wer dies umsetzt. In diesem Zusammenhang könnten auch konkrete Ziele gesetzt – z.B. in einem „Nachhaltigkeitsleitbild Kressbronn“ und das Erreichen dieser Ziele überprüft werden. Angesichts der krisenhaften Entwicklungen in der Welt, wäre dies ein Zeichen der Verantwortlichen, dass sie gewillt sind, zu handeln.
Eine Welt Verein Kressbronn, Marion Dorner
- Mai 2019