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Gleiche Chancen durch Fairen Handel – die Faire Woche 2019 Grußwort von Dr. Gerd Müller

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Ein gut gefüllter Kleiderschrank, Kaffee, Tee, Kakao nach Belieben, Südfrüchte zu jeder Jahreszeit, jedem ein Smartphone, Tablet und PC – all das und noch viel mehr erscheint uns selbstverständlich.
Doch allzu oft ist dieser Wohlstand mit Armut in Entwicklungsländern erkauft. Denn vieles ist bei uns nur deshalb so billig, weil andere die wahren Kosten dafür tragen. Am Anfang eines jeden Produktes steht ein Mensch – und sehr häufig ist es eine Frau!

Beispiel Textilindustrie: Allein in Bangladesch sind in diesem Sektor rund vier Millionen Menschen beschäftigt, 90 Prozent davon Frauen. Viele unserer Kleidungsstücke werden dort unter Arbeitsbedingungen geschneidert, die wir hierzulande schon längst nicht mehr dulden würden: 14-Stunden-Tage ohne Pausen, keine soziale Absicherung etwa bei Schwangerschaft, kaum gewerkschaftliche Organisation. Auch die Rohstoffe für unseren Kaffee oder unsere Schokolade pflanzen und ernten überwiegend Frauen, oft für einen Hungerlohn.

So bleiben Frauen in einer Spirale der Armut gefangen – und ihre Länder gleich mit. Denn solange die eine Hälfte der Bevölkerung in vielen Ländern keine gleichen Chancen und Rechte hat, werden diese Länder die Entwicklungsziele nicht erreichen können. Bei vollkommener Gleichberechtigung – so hat eine McKinsey-Studie ergeben – könnte die Weltwirtschaft bis 2025 um 12 Billionen US-Dollar wachsen. Es gäbe mehr Gesundheit, mehr Bildung, soziale Entwicklung.

Der Faire Handel ist ein Schlüssel, um die Gleichberechtigung der Geschlechter weltweit voranzubringen. Darum ist es gut, dass bei der diesjährigen 18. „Fairen Woche“ der Schwerpunkt auf Geschlechtergerechtigkeit liegt. Denn die Faire Woche macht mit einer Vielzahl von Veranstaltungen darauf aufmerksam, welchen Beitrag wir hier in Deutschland dazu leisten können.

Wir alle entscheiden mit unseren Kaufentscheidungen mit über das Leben und die Chancen anderer Menschen. Und es ist auch Ihrer hartnäckigen Arbeit zu verdanken, dass dies immer mehr Menschen bewusst wird. Immer mehr Menschen wollen wissen, wie das, was sie kaufen, hergestellt wurde. Sie lassen nicht mehr allein den Preis entscheiden, sondern achten auch auf ökologische und soziale Standards in der Lieferkette. Das schätze ich sehr!

Auch unsere Unternehmen müssen sicherstellen, dass in Lieferketten Menschenrechte eingehalten werden. Viele gehen bereits freiwillig voran. Als Antwort auf die Katastrophe von Rana Plaza etwa initiierte das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung 2014 das Bündnis für nachhaltige Textilien. Gestartet mit einer Handvoll Teilnehmenden, deckt es inzwischen rund 50 Prozent des deutschen Textileinzelhandelsmarkts ab. Die Mitglieder des Textilbündnisses setzen sich für soziale, ökologische und ökonomische Verbesserungen entlang der gesamten Textil-Lieferkette ein. Davon profitieren vor allem Frauen. Auch das Forum Nachhaltiger Kakao hat viel erreicht: Von 3 Prozent zertifiziertem Kakao in deutschen Supermärkten im Jahr 2011 auf über 60 Prozent heute.

Am Ende aber müssen alle Unternehmen in Deutschland ihren unternehmerischen Sorgfaltspflichten in ihren Lieferketten nachkommen. Wie weit das Prinzip der freiwilligen Selbstverpflichtung trägt, wird bald im Rahmen des Nationalen Aktionsplans Wirtschaft und Menschenrechte bei Unternehmen mit mehr als 500 Mitarbeitern abgefragt. Wenn wir feststellen, dass Freiwilligkeit nicht ausreicht, werden wir national gesetzlich tätig und uns für eine EU-weite Regelung einsetzen – so haben wir es im Koalitionsvertrag vereinbart. Und immer mehr Unternehmen sind offen dafür. Denn letztlich sollten für alle die gleichen Spielregeln gelten!

Als Entwicklungsministerium fördern wir faire und ökologisch nachhaltige Arbeits- und Produktionsbedingungen in vielen Sektoren und Partnerländern: In der Landwirtschaft zum Beispiel machen Frauen oft den Großteil der Arbeit – aber haben kaum Zugang zu Landrechten, zu Saatgut oder zu Krediten. Auch viele staatliche Programme der Partnerländer richten sich vor allem an Männer. Frauen bleiben so vom Zugang zu Ressourcen, technischen Kenntnissen und Vermarktungs-Möglichkeiten ausgeschlossen. Das BMZ achtet deshalb sehr darauf, dass in den von uns geförderten Schulungen die Frauen zum Zuge kommen. So wurden in West- und Zentralafrika fast eine halbe Million Menschen im Kakaosektor fortgebildet – ein Drittel davon waren Frauen. Sie verdienen nun deutlich mehr und haben dadurch oft auch mehr Entscheidungsfreiheit und Handlungsspielraum für ihr eigenes Leben.

Menschenwürdige Arbeit weltweit durchsetzen – das ist die soziale Frage des 21. Jahrhunderts. Gemeinsam können wir die Globalisierung gerecht gestalten, insbesondere für die Frauen dieser Welt!

 

 

Ihr
Dr. Gerd Müller
Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung
und Schirmherr der Fairen Woche 2019